Wie man als eCommerce-Unternehmer:in eine kompetente Steuerberatung findet

January 15, 2024

Besser früher als später muss sich jede:r Online-Händler:in mit den steuerlichen Aspekten ihres Online-Shops beschäftigen. Da die wenigsten Händler:innen einen buchhalterischen Background haben, fängt irgendwann die Suche nach der richtigen Steuerberatung an. Diese sollte nicht nur über die notwendigen eCommerce-Kenntnisse verfügen, sondern auch eine ideale Zusammenarbeit gewährleisten können. Doch wie finde ich eine eCommerce-kompetente Steuerberatung und wie bereite ich mich bestmöglich als Händler:in vor?

In diesem Interview haben wir mit Chris Schwarz gesprochen, wie man als eCommerce-Unternehmer:in eine kompetente Steuerberatung findet. Er gibt umfassende Einblicke in die Fragen, die man sich vor einem Erstgespräch mit einer Steuerberatung stellen sollte, welche Kriterien man bei der Auswahl berücksichtigen sollte und was man bei einer guten Zusammenarbeit erwarten kann.

Wer seine Tipps lieber hören möchte, kann sich hier das Interview von Chris und Adrian im  Merchant Inspiration Podcast anhören.

Chris, nach welchen Kriterien sollte ein eCommerce Unternehmer:in die Steuerberatung / Buchhaltung auswählen?

Eine gute Steuerberaterin bzw. ein guter Steuerberater sollte nicht nur über die notwendigen Kenntnisse verfügen, sondern auch Erfahrungen mit eCommerce-Unternehmen haben und bestenfalls von anderen eCommerce Händler:innen empfohlen werden. Zudem sollte die Steuerberatung über digitale Prozesse verfügen und in der Lage sein, die laufenden Prozesse vernünftig technisch aufzusetzen. Verfügt der Steuerberater oder die Steuerberaterin über digitale Prozesse? Folgende Tools sollten bekannt sein:

  1. DATEV Unternehmen Online

Erfahrungen mit Marktplatz-Lösungen der DATEV, z.B.:

  1. Candis
  2. MOSS
  3. Get my Invoices
  4. Invoicefetcher
  5. Personio
  6. pathway
  7. PLEO
  8. Taxdoo
  9. billbee
Eine gute digitale Steuerberatung ist nicht immer (aber meist) gleich eine gute eCommerce-Steuerberatung. Dagegen ist eine gute analoge Steuerberatung meist keine gute eCommerce-Steuerberatung.

Wie bereite ich mich denn als eCommerce Unternehmer:in ideal auf ein Erstgespräch mit einer Steuerberatung vor?

Folgende Angaben sollten vorliegen oder im Erstgespräch geklärt werden:

  1. Welche technischen Tools für die Buchhaltung habe ich bereits im Einsatz?
  2. Bin ich bereit ggf. auf Wunsch des Steuerberaters die Struktur zu verändern? (sehr optional und nur, wenn vorhandene Struktur nicht vorhanden ist oder völlig sinnbefreit)
  3. Über welche Plattformen vertreibe ich meine Produkte?
  4. Wie viele Shops betreibe ich und wo?
  5. Welche Aufgabenerwartungen habe ich an die Steuerberatung?
  6. Monatliche Finanzbuchhaltung?
  7. Aktueller Ablauf mit derzeitiger Steuerberatung? Bisher Pendelordner oder schon Onlinebuchhaltung?
  8. Aktuelles Kreditinstitut zur Anbindung an Unternehmen Online möglich?
  9. Monatliche Lohnbuchhaltung?
  10. Jahresabschluss & Steuererklärung?
  11. Controlling & KOST Stellen gewünscht? (im eCommerce eher die Ausnahme)
  12. Sonstige Dienstleistungen gewünscht?
  13. Lfd. Steuerberatung ist selbstverständlich:
  14. Anpassung von Vorauszahlungen,
  15. Überblick und Information über Steuerzahlungen.
  16. Gestaltungsberatung und Optimierungsberatung wenn gewünscht:
  17. z.B. häufigster Fall: Einbringung EU in GmbH,
  18. oder auch: Finanzierungsrunden zur Skalierung.
  19. Wie lange besteht mein Unternehmen schon und sind Altjahre ggf. durch Vorberater:innen erstellt worden? Gab es ggf. noch keine:n Vorberater:in? Welche Jahre müssten noch erstellt werden?
  20. Steuerberater:innen erstellen weniger gern Jahresabschlüsse von Buchhaltungen, die andere Steuerberatungen erstellt haben. Am besten erstellt der Vorberater:in für die von ihm oder ihr erstellten Buchhaltungsjahre auch noch die Steuererklärungen und Jahresabschlüsse. Das ist meist ein Streitthema beim Verlassen des alten Steuerbüros.
  21. Habe ich das OSS-Verfahren aktiviert?
  22. Gab es in der Vergangenheit Prüfungen durch das Finanzamt oder Sozialversicherungsbehörden?
  23. Regelmäßige Reibungspunkte mit Altberater vorhanden? (Weniger Schuldfrage, viel mehr wie löse ich das Problem zukünftig) Daher viel mehr: Was ist meine Erwartungshaltung an einen neuen Steuerberater? Was sind meine Wünsche für die zukünftige Zusammenarbeit?
  24. Technische Konfiguration vom Webshop:
  25. Rechnungsstellung wg. § 14c UStG
  26. Stichwort: Rabatte in Shopify
  27. Besonderheiten bei Gutscheinen (z.B. Einzweck- oder Mehrzweckgutscheinen)
  28. Gibt es kostenlose Warenabgaben?
  29. Allgemeines technisches Know-How für den eigenen Store
  30. Unternehmenskennzahlen:
  31. Umsatz,
  32. Anzahl MA,
  33. Jahresgewinn,
  34. Steuerpflichten im Ausland, die wir allesamt nicht bedienen können (z.B. OSS-Verfahren nicht aktiviert, aber ins EU-Ausland über die 10 T€ Lieferschwelle verkauft oder vom OSS-Verfahren ausgeschlossen)

Wie läuft eine ideale Zusammenarbeit im eCommerce bei euch?

Das lässt sich nicht immer so pauschal beantworten.

Es gibt aus meiner Sicht vier Fallgruppen für die Ersteinrichtung bzw. das Onboarding:

  1. Laufendes Unternehmen, das bereits eine Steuerberatung hat, aber sich eine digitale Kanzlei wünscht.
  2. Laufendes und etabliertes Unternehmen, das steuerlich erfasst ist und noch keine Steuerberatung hat.
  3. Neugründung und das Unternehmen ist bisher steuerlich noch nicht registriert und auch beim Onlineshop ist noch nichts passiert.
  4. Neugründung und es ist bisher steuerlich noch nichts passiert, aber der Onlineshop ist schon aktiv.

Bei allen Fallvarianten ist das Ziel die laufende Prozesse (Finanz- und Lohnbuchhaltung, jährliche Steuererklärungen & Jahresabschlüsse) vernünftig technisch aufzusetzen und auf mögliche Probleme in Vorsystemen hinzuweisen.

Eine ideale Zusammenarbeit sieht nach Abschluss der Ersteinrichtung so aus, dass die Umsatzseite und das Verbuchen der Provisionen des Zahlungsdienstleisters über einen Dienstleister wie pathway erfolgen, der eine Schnittstelle zur DATEV hat. Die übrige Finanzbuchhaltung (Eingangsrechnungen und Bank) wird je nach Größe meist über Unternehmen online abgebildet. Die Finanzbuchhaltungsunterlagen sollten vollständig und rechtzeitig (am besten zum 10. des Folgemonats) an den:die Steuerberater:in übermittelt werden, damit diese:r genügend Zeit hat, die Umsatzsteuervoranmeldung für das Finanzamt zum 10. des Folgefolgemonats zu erstellen.

Um eine reibungslose Zusammenarbeit zu gewährleisten, sollten Unternehmer:innen sich für regelmäßige Termine frühzeitige Erinnerungen in ihren Kalender setzen, damit sie die Unterlagen rechtzeitig an die Steuerberatung geben können. Auch sollte vor technischen Neuerungen im Shop oder inhaltlichen Änderungen die Steuerberatung gefragt werden, um mögliche Probleme zu vermeiden - Wir verproben die Daten regelmäßig, so fallen Ungereimtheiten rechtzeitig auf. Es ist für beide Seiten leichter, solche Themen vorher zu besprechen als im Nachgang das Kind aus dem Brunnen zu fischen.

Was erwartet eine gute Steuerberatung von den Mandant:innen?

Eine gute Steuerberatung erwartet von ihren Mandant:innen Mitarbeit, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Wertschätzung (Es ist nicht alles nur ein Knopfdruck bei uns!). Auch ein rudimentäres Problembewusstsein für steuerliche Themen erwarten wir, insbesondere im eCommerce. Hierzu können wir uns immer und gern regelmäßig austauschen!

Hast du noch abschließende Tipps für eCommerce Unternehmer:innen?

Sucht euch nicht erst die Hilfe von der Steuerberatung, wenn die Schätzungen vom Finanzamt da sind! Gerade in der Gründungsphase bei Einzelunternehmern hält das Finanzamt bei bzw. aufgrund der Unkenntnis, dass es das Einzelunternehmen gibt, lange die Füße still. Ein:e Steuerberater:in nimmt solche Mandate häufig nicht an, weil er:sie in so kurzer Zeit keine realistische Aufarbeitung des Sachverhalts gewährleisten kann.

Wenn ihr bei der Steuerberatung nicht das Gefühl habt, dass sie die besonderen steuerlichen Themen rund um eCommerce abbilden können, solltet ihr weitersuchen, auch wenn sie freie Ressourcen haben. Wenn das Onboarding schon unrund läuft, hofft nicht darauf, dass es im Laufe der Zusammenarbeit besser wird.

Danke Chris, wahre Worte! Hört hier noch in Chris Podcast mit der Shopify Community

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